Der Nachweis von Alkohol oder Drogen bei einem an einem Verkehrsunfall Beteiligten kann zahlreiche unangenehme Folgen für diesen haben. Dabei ist die sehr wahrscheinliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft nur eine dieser Folgen. Denn meistens wird – sobald Alkohol oder andere Drogen im Körper eines Unfallbeteiligten nachgewiesen werden – davon ausgegangen, dass der Unfallbeteiligte den Unfall „deshalb“ verursacht hat.
Neben den strafrechtlichen gibt es noch jede Menge anderer unangenehmer Folgen. So droht zum Beispiel der Regress der eigenen Haftpflichtversicherung. Der eigene Haftpflichtversicherer fordert von seinem Versicherungsnehmer Erstattung des Schadensersatzes, den er an Dritte gezahlt hat. Dies können bis zu 5.000 €, in besonderen Fällen (bei Begehung mehrerer Straftaten, z B. Unfall infolge Trunkenheit und anschließende Unfallflucht) bis zu 10.000 €, sein.
Als Führerschein-Inhaber kann man zusätzlich Ärger mit der Fahrerlaubnis-Behörde bekommen (Stichwort: Idiotentest). Wenn im Punkteregister bestimmte Punktegrenzen überschritten werden, wird man ermahnt oder zur Teilnahme an einem Aufbauseminar aufgefordert.
§ 315c StGB. Gefährdung des Straßenverkehrs
Der zentrale Straf-Paragraf in diesem Zusammenhang ist § 315c Abs 1 Nr. 1 Buchst. a StGB:
§ 315c StGB. Gefährdung des Straßenverkehrs.
(1) Wer im Straßenverkehr
1. ein Fahrzeug führt, obwohl er
a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel
b) …
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, …
2. …
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 316 StGB. Trunkenheit im Verkehr
Wenn kein Unfall verursacht wurde und auch weder Leib noch Leben oder fremde Sachen einer konkreten Gefahr unterworfen wurden, bleibt immer noch § 316 Abs. 1 StGB als „Auffang-Straf-Paragraf“:
§ 316 StGB. Trunkenheit im Verkehr. (1) Wer im Verkehr … ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, … .
Bei einer Verurteilung nach § 315c oder 316 StGB werden 3 Punkte im Fahreignungsregister eingetragen. Wer in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, war nicht fahruntüchtig. Dies bedeutet, dass eine Bestrafung nach § 315c oder § 316 StGB nicht möglich ist. Dennoch kommt, bei Überschreitung bestimmter Alkohol-Grenzwerte, ein Bußgeldverfahren in Frage.
Hinweis: Soweit hier nichts anderes angegeben wird, gelten alle Strafbestimmungen immer sowohl für Kfz- als auch für Fahrradfahrer.
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Definition „Fahrzeug“
Mit Fahrzeug sind nicht nur alle Arten von Kraftfahrzeugen gemeint, sondern insbesondere auch Fahrräder.
„infolge“ und „dadurch“
Die Worte „infolge“ und „dadurch“ bedeuten, dass immer das Eine auf dem Anderen beruhen muss – sonst liegt keine Strafbarkeit vor:
Also muss die Gefährdung (von Leib, Leben oder Sachen) dadurch hervorgerufen worden sein, dass man nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Liegt zwar eine Gefährdung vor, hatte diese aber nicht ihre Ursache in der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit (sondern z. B. in einer Wespe, von der man gestochen wird und deshalb das Lenkrad verreißt), ist der Straftatbestand nicht erfüllt.
Und die Unfähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen, muss eine Folge des Genusses von Alkohol etc. sein. Wer zwar Alkohol getrunken hat, aber nicht deswegen fahruntüchtig ist (sondern z. B. weil er schon seit 40 Jahren kein Auto mehr gefahren hat – schlechtes Beispiel), hat sich nicht nach § 315c StGB strafbar gemacht.
Berauschende Mittel
Andere berauschende Mittel sind Cannabis (THC), Speed (Amphetamin), MDMA, Chrystal Meth, Kokain, Morphin, Heroin etc.. In Ecstasy sind meistens Amphetamine oder MDMA enthalten.
Übrigens: Für diese Drogen gibt es keine dem Alkohol entsprechenden Grenzwerte. Dies bedeutet, dass man wenigstens ein Bußgeldverfahren grundsätzlich zu befürchten hat, wenn diese Drogen nachgewiesen werden – egal in welcher Konzentration und egal ob sie überhaupt gewirkt haben (Ausnahme THC: Grenzwert ist 1,0 ng/ml) – und auch dann, wenn kein Unfall verursacht wurde. Die Geldbuße beträgt 500 € bis 1.500 €, das Fahrverbot wird ein oder drei Monate dauern, und es werden 2 Punkte eingetragen.
Fahruntüchtigkeit
Mit der Formulierung „nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen“ ist die „Fahruntüchtigkeit“ gemeint. Die Frage, ob Fahruntüchtigkeit vorliegt oder nicht, ist immer eine ganz bedeutende Frage. Denn ohne Fahruntüchtigkeit keine Strafe.
Dabei muss zwischen Alkohol und anderen Drogen unterschieden werden:
– mehr zum Alkohol
– mehr zu anderen Drogen
• durch Alkohol
– Bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 0,3 ‰ wird in der Regel nicht von Fahruntüchtigkeit ausgegangen – also auch keine Strafbarkeit nach § 315c oder 316 StGB.
– Bei einer BAK ab 0,3 ‰ bis unter 1,1 ‰ spricht man von relativer Fahruntüchtigkeit. Das heißt, dass Fahruntüchtigkeit nicht von sich aus vorliegt, sondern nur möglich erscheint. Sie muss sich durch weitere Anzeichen bemerkbar machen. Solche Anzeichen sind sog. Ausfallerscheinungen, wie überhöhte Geschwindigkeit, Spurunsicherheit, lallende Aussprache etc.. Gerade in diesem Bereich wird der Verteidiger eines Beschuldigten darauf achten, dass scheinbare Ausfallerscheinungen genau unter die Lupe genommen werden, damit es nicht zu einer ungerechtfertigten Verurteilung kommt.
– Bei einer BAK ab 1,1 ‰ spricht man von absoluter Fahruntüchtigkeit, d. h. es bedarf keiner weiteren Anzeichen (Ausfallerscheinungen), um eine Fahruntüchtigkeit zu bejahen – dies führt zu einer generellen Strafbarkeit nach § 315c oder 316 StGB.
Hinweis: Für Fahrradfahrer gilt statt der 1,1-‰-Grenze die 1,6-‰-Grenze. Ansonsten wird zwischen Kfz- und Fahrradfahrern nicht unterschieden.
• infolge anderer Drogen
Bei allen sonstigen Drogen (Cannabis, Amphetamin, MDMA, Chrystal Meth, Kokain, Morphin, Heroin etc.) gibt es keine oberen und unteren Grenzwerte. Dies bedeutet, dass – genauso wie oben im BAK-Bereich von 0,3 ‰ bis 1,1 ‰ – stets von relativer Fahruntüchtigkeit ausgegangen wird. Das heißt, auch hier müssen zusätzliche Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit vorliegen. Und dies heißt auch, dass der Verteidiger des Beschuldigten besonders gefordert ist.
Hinweis: Bei Drogen im Straßenverkehr wird zwischen Fahrrad- und Kfz-Fahrern nicht unterschieden.
Fremde Sachen
Fremde Sachen haben oberhalb von 1.300 € in der Regel bedeutenden Wert, unterhalb von 1.100 € in der Regel nicht. Zwischen diesen Beträgen ist die Sache uneindeutig; d. h., es wird wahrscheinlich darauf ankommen, wie gut man sich verteidigen lässt.
„Gefährdet“ bedeutet, dass etwas Konkretes (Leib, Leben, Sachen) in Gefahr geraten sein muss. Es muss keine tatsächliche Beschädigung oder Verletzung vorliegen – es reicht aus, dass es beinahe dazu gekommen wäre.
Dies heißt aber auch: Wenn es bei dem „beinahe“ nicht geblieben ist, wenn also tatsächlich Leib oder Leben verletzt oder eine Sache beschädigt wurden, hat es eine Gefährdung grundsätzlich gegeben. Also bei einem Verkehrsunfall wird man von einer „Gefährdung“ immer ausgehen dürfen.
Alkohol-Grenzwerte
Für das Bußgeldverfahren von Bedeutung sind folgende Grenzwerte.
– Bei einer BAK (Blutalkoholkonzentration) von weniger als 0,5 ‰ bzw. einer AAK (Atemalkoholkonzentration) von weniger als 0,25 mg/l hat man bußgeldrechtlich nichts zu befürchten.
– Bei einer BAK ab 0,5 ‰ bis unter 1,1 ‰ bzw. bei einer AAK ab 0,25 mg/l muss man mit Bußgeld, Fahrverbot und 3 Punkten rechnen, wenn ansonsten keine Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit vorliegen (sonst Strafbarkeit!), und zwar: Bußgeld beim ersten Mal 500 €, beim zweiten Mal 1.000 €, beim dritten Mal 1.500 €; Fahrverbot beim ersten Mal 1 Monat, danach stets 3 Monate. Ab dem zweiten Mal wird außerdem eine MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) fällig.
– Bei einer BAK ab 1,1 ‰ kommt kein Bußgeldverfahren mehr in Betracht; dann wird in jedem Fall ein Strafverfahren eingeleitet werden (wenigstens wegen § 316 StGB).
Hinweis: Für Fahrradfahrer gilt bei der BAK statt der 1,1-‰-Grenze die 1,6-‰-Grenze. Sonst gilt dasselbe wie oben.